So lautet etwas überspitzt mein Resumee vom 3. Digitalen Tourismus-Stammtisch, bei dem es leider nur im Chat hoch her ging.
Vorige Woche wurde ich dankenswerterweise von mehreren Leuten auf diese digitale Veranstaltung hingewiesen, welche vom Tourismusverband organisiert wird. Die Gelegenheit habe ich mir nicht nehmen lassen, denn das Thema lautete: „Wanderwege im Nationalpark unpassierbar – Was kommt 2021 auf unsere Gäste zu?“
Hohe Brisanz – hohe Resonanz
Ein Thema was viele Wander- Natur- und Heimatfreunde umtreibt. Entsprechend groß war das öffentliche Interesse. Etwa 130 Personen haben sich die Ausführungen der Funktionäre über livestream angesehen und gegen Ende der Veranstaltung wurden 30 Minuten lang die Fragen aus dem Chat aufgegriffen. Darunter viele mir bekannte Namen, Wanderfreunde und Personen, denen der Nationalpark am Herzen liegt. Moderiert wurde die „Show“ vom Organisator Herr Richter, Tourismusverband Sächsische Schweiz. Beiträge folgten von Herrn Landrat Geisler (der sichtlich den Kopf voll mit anderen Themen hat, verständlicherweise), der stellv. Leiterin NP Harz, der Geschäftsführerin vom Tourismusverband Harz, dem Leiter der Nationalparkverwaltung Herr Zimmermann, dem Leiter des Forstbezirks Neustadt Herr Borrmeister, sowie Herrn Kunack (Bürgermeister Bad Schandau).
Mehr Bühne – weniger Stammtisch
Eins nehme ich mal vorweg: Ich hätte mir gewünscht, dass an einem „Stammtisch“ die Diskussion den größeren Teil einnimmt. Stattdessen wurden 1,5 h lang Vorträge über die Borkenkäferthematik gehalten. Es ging um Öffentlichkeitsarbeit im Harz, was als interner Gedankenaustausch innerhalb der Nationalpark- oder Tourismusstellen besser aufgehoben gewesen wäre. Die erste Stunde hatte belehrenden Charakter. Der neue Leiter unserer NPV, Herr Zimmermann hat den Nationalpark und seinen Schutzzweck vorgestellt und über die Borkenkäferentwicklung berichtet, was den Großteil der Zuschauer nach 3 Jahren längst geläufig ist. Es folgten die üblichen Rechtfertigungen, warum man den Borkenkäfer hat fressen lassen.. Beeindruckend empfand ich, dass in der ersten ca. 10-minütigen Präsentation Besucher oder der „Mensch“ überhaupt nicht vorkamen. Eher beiläufig wurde darauf verwiesen, dass der Nationalpark neben seiner Schutzfunktion auch eine Erholungsfunktion haben sollte. In seiner späteren zweiten Präsentation hat Herr Zimmermann dann auf die Probleme aufmerksam gemacht, welche die Anwesenheit der Besucher im Park mit sich bringen. Er hat seine Haltung durchblicken lassen, dass mehr der Mensch das Problem ist, und weniger der Borkenkäfer.
Überall Müll, Scharen an Boofer, viel zu viele Kletterer, zugeparktes Kirnitzschtal, Menschen die nicht auf den Hauptwegen bleiben wollen. Die Natur wird überrannt. Schwarzstorch, Wanderfalke & Co. nehmen ab. Die Zahl der Besucher steigt jährlich. Punkt.
Zeughausstraße – extreme Gefahr über Nacht
Wegesperrung Großer Zschand: Er hat dargestellt, dass die Sperrung von der NPV initiiert war, und nicht von der Stadt Sebnitz. Eine Begehung des Zschands im gesperrten Bereich ist seiner Meinung nach gefährlicher als eine Begehung der Spitzsteinschlüchte. Das ist seine persönliche Meinung und er darf auch gern nach seiner Begehung der Spitzsteinschlüchte daran festhalten. Ich werde ihm meine nicht aufdrängen. Meine Argumente, die das Gegenteil untermauern kann hier jeder im letzten Blogbeitrag nachlesen. Die Stadt Sebnitz hat mir vorige Woche den postalischen Eingang meines Schreibens bestätigt und aktuell befindet sich mein Widerspruch gegen die Sperrung in Bearbeitung.
Weitere Aussagen vom Leiter der NPV: Höchste Priorität hat erst einmal das Rettungswegenetz. Dabei werden Korridore von einer Baumlänge links und rechts neben Forststraßen freigeschnitten, wie z.B. am Flügel E im Zschand. Die kleineren Wanderwege, wo eine große Gefahr von Verbruch durch abgestorbene Fichten besteht werden als „unpassierbar“ deklariert. Derzeit sind es 12 Wanderwege, die Beschilderung wird angepasst. Die Wege werden vorübergehend aus dem Wanderwegenetz genommen. Wie viele Jahre, weiß man nicht. Für den Zschand hat man wohl den „Plan“, den gesamten Fichtenbestand zusammenbrechen zu lassen und irgendwann mal mit schwereren Gerät, in 1, 3, 5 oder 10 Jahren mit aufräumen zu beginnen. Er sagte, es kann durchaus sein, dass man zu dem Schluss kommt, nach dieser langen Zeit einen Weg aufzugeben. Vor allem wenn sich seltene Flora/Fauna ansiedelt. (Zum Thema „unpassierbare Wege“ folgt ein separater Beitrag später im Felsenheimat-Blog)
Bleibt zuhause oder geht woanders hin
Am Schluss erreichen seine Darlegungen den Höhepunkt mit der Aufforderung, auch mal andere Ecken Sachsens zu besuchen und NICHT den Nationalpark. Vor dem Hintergrund, dass viele bereits seit Monaten aufgrund der Beschränkungen nicht mehr in der Sächsischen Schweiz waren und in ihren 15-Km-Umkreis herumlatschen, kam diese „Empfehlung“ wie blanker Hohn herüber.
Interessant das die Kletterer nun gleichermaßen als Feindbild ausgemacht werden. Herr Zimmermann zeigte in seiner Präsentation ein gewöhnliches Bild aus dem Rathener Gebiet, wo an jedem nennenswerten Gipfel eine Seilschaft war. Das findet er nicht in Ordnung und dagegen will er scheinbar auch vorgehen. (Ein Blick in die mittlerweile leere Flasche Bier, ohne welche diese langatmige erste Stunde kaum zu ertragen gewesen wäre, sagt mir: Vielleicht gibt es künftig online-Tickets für Kletterer und man muss die Felsen vorher reservieren?)
AG Was? Achja..
Auf die Frage und den dringenden Wunsch hin, (vor dem Hintergrund der massivsten Wegesperrungen, die es je gab) die AG Wege einzuberufen, kam die bemerkenswerte Antwort: Aufgrund Corona und den Kontaktbeschränkungen wäre es bisher nicht möglich gewesen, und andere Teilnehmer der AG Wege hätten Probleme mit den technischen Möglichkeiten. Dumm nur, dass über Zoom fast alle Teilnehmer live zugeschaltet waren. Aber das nur am Rande. Er ist nach einem halben Jahr Tätigkeit erstmalig öffentlich in Erscheinung getreten und schien sehr von sich überzeugt. Auf eine konstruktive Diskussion hat er augenscheinlich wenig Lust. Mit dem Sägeverbot für Forstarbeiter und der Sperrung des Gr. Zschands hat er ziemlich allein für die ersten Akzente gesorgt, die innerhalb der NPV – soviel kann ich sagen – sehr umstritten sind.
Es geht auch anders
Völlig gegensätzlich war die Präsentation von Herrn Borrmeister, Leiter des Forstbezirks Neustadt inkl. dem Landschaftsschutzgebiet. Er sieht in erster Linie in Bezug auf die typischen Gefahren des Waldes, dass jeder Besucher für sich selbst haftet. Entsprechende Gerichtsurteile untermauern das. Sonst hätte er den Forststeig auch nicht ins Leben rufen können, denn der verläuft großteils durch unwegsames Gelände. Im LSG gibt es keine unpassierbaren oder gesperrten Wege und in den vergangenen Jahren sind mit den Forststeig >100 Km markierte Pfade Wege hinzugekommen. Er versucht auch die Menschen einzubinden und sieht sie nicht per se als unerwünschte Eindringlinge. Wenn irgendwo mal Forstarbeiten notwendig sind, dann wird mit Flatterband und Schildern auf die konkrete Gefahr hingewiesen und die Menschen akzeptieren das aus eigenen Interesse auch. Und wenn man sich Zschirnsteine, Gohrisch, Papststein oder das Bielatal anschaut, dann hat man es bisweilen auch mit sehr vielen Besuchern zu tun.
Herr Kunack machte noch darauf aufmerksam, dass die anliegenden Städte und Gemeinden nicht allein gelassen werden sollten, vor dem Hintergrund finanzieller Einschränkungen. Und das man den Menschen für Sperrungen auch Alternativen anbieten müsse. Darauf ist dann niemand konkret eingegangen.
Fazit: Nachdem die Teilnehmer erst einmal 1,5 Stunden über die derzeitige Situation und Vergangenheit aufgeklärt wurden und irgendetwas über den Harz erzählt wurde, ging es aufgrund der gestellten Fragen im Chat langsam zur Sache. Fragen über die Zukunft wurden nicht geklärt. Es ist auch keinerlei Konzept erkennbar, wie man im Jahr 2021 mit der Problematik steigender Besucherzahlen und eines erheblich ausgedünnten Wegenetzes aufgrund unpassierbarer Wege und unterlassener Instandhaltung umgeht. Immerhin wird fast die Hälfte des Waldes im Nationalpark absterben und unzählige Kilometer Wegenetz drohen vorübergehend unpassierbar zu werden. Es gibt keinerlei neue Angebote für die Besucher. Stattdessen wurde der Vorschlag gebracht, auf andere Regionen in Sachsen auszuweichen, dort gäbe es auch schöne Wanderwege…
[EDIT: Hier der Link zur Aufzeichnung, damit sicher jeder selbst ein Bild machen kann.]
https://www.facebook.com/watch/live/?v=1308320576217288&ref=watch_permalink
Dem Mann (Hr. Zimmermann) war unschwer anzumerken, dass er hier fremd ist und keinerlei Bindung zu unserem Elbsandsteingebirge hat.
Totale Fehlbesetzung.
Der Schutz von Natur und Landschaft ist unbestritten enorm wichtig und Fehlverhalten jeglicher Art muss konsequent verfolgt werden. Naturschutz um seiner selbst willen aber lehne ich auf jeden Fall ab. Falls sich Herr Zimmermann mit dem Gedanken an einen anti-touristischen Schutzwall tragen sollte: so etwas geht bekanntlich auf Dauer nicht gut, und das ist gut so!
Unsere Schweiz soll unsere Schweiz bleiben, schön und natürlich.
Anti-Touristischer Schutzwall – interessante Formulierung, die sich hoffentlich nicht bewahrheitet. Die positiven Dinge am Nationalpark sind für mich ebenso unbestritten, wie z.B. der Schutz vor Raubbau. Was Fauna und Flora angeht gibt es aber weitaus wertvollere Gebiete gleich um die Ecke. Die kleinen Wege inklusive Kleindenkmäler die nach und nach verschwinden sind einmalig. Wird der uralte Luchsstein bald Geschichte sein? Der historische Bärenfang erodieren unter Fichtenstämmen?
Alles sehr traurig. Mauer drum zu machen fertig. Wenn das alles so gesagt, wurde sind die Zukunftsvisionen von Rolf Böhm garnicht so abwegig.
Wenn es woanders auch schön ist auch gut. Dann lasse ich mein sauer verdientes Geld im Urlaub woanders – aber bestimmt nicht in Sachsen.
Langfristig sind dann auch Nationalparkinfostellen und Museum und der NPV Leiter überflüssig. Die Ranger dürfen ja auch nicht mehr den Park betreten also auch abschaffen.
Wenn der Mensch das Problem ist und nicht der Käfer… auch gleich abschaffen weg damit.