Die Befreiung des Zschands

Vögel zwitschern. Der Schwarzstorch flattert über den Lorenzsteinen. Es ist eine seltsame Stille, an einem trüben Samstagnachmittag auf dem Felsband des Großen Lorenzsteins. Der Blick schweift über eine Waldwüste, hinüber zum Winterstein. Sitzen dort wirklich zwei Leute oben? Ich sehe es nicht genau. Können auch Bäume sein. Genau wie eine Woche zuvor sind fast keine Menschen unterwegs im kleinen Zschand. Auch wenn einige Wege noch begehbar sind und hier und da tatsächlich mal etwas freigeschnitten wird. Die Leute sind brav und halten sich daran: Geht woanders hin oder noch besser: Bleibt Zuhause!

Sperrung Zschand 17.April

Ein wanderndes Sperrschild

Die Sperrung der Zeughausstraße galt bis 31.03.2021. Am 1. April wurde die Verlängerung bis zum 9.April verkündet. Plötzlich stand am 10. April eine Absperrung an den Spitzsteinschlüchten am Abzweig Knorreweg. Die vom Leiter der NPV angepriesene Umleitung plötzlich gesperrt? Aber scheinbar nur einseitig, von unten sollte konnte – nein, man MUSSTE sogar da durch. Ich dachte mir, das wird schon seine Ordnung haben, vielleicht wird es mit dem Gegenverkehr sonst zu eng in den Schlüchten. Wegen den Abstandsregeln, 1,50 m. Man stelle sich, mit einem Ausweichmanöver streift man so eine dünne tote Spitzschlüchtfichte, die stürzt doch sofort ungefragt um! Folgerichtig hat man nun den Zschand gleich vorn gesperrt. Auf der Internetseite steht: „Aufgrund Verkehrssicherungsarbeiten bis 20.04. gesperrt“. Offensichtlich verfügt die NPV nun über allerneueste Technik und arbeitet im Verborgenen, Unsichtbar, denn in den Spitzsteinschlüchten wurde nie jemand gesehen. Naja, vielleicht fangen sie ja morgen an, da ist der 20. April. Oder die Verkehrssicherungsarbeiten werden digital durchgeführt. Jedenfalls standen am 17. April nun beide Sperrschilder schon ganz vorn am Eingang zum Zschand.


AG Wege

Forststeig-Umleitung

Digital ist das Stichwort: Denn auch die AG Wege traf sich am 15. April digital. Weniger diskussionsfreudigen Menschen kommt sowas immer gelegen, denn man kann Rückfragen viel einfacher ignorieren. Der Sächsische Bergsteigerbund hat seinen Stufenplan für die Erhaltung der touristischen Infrakstruktur vorgelegt. Trotz breiter Unterstützung der kommunalen Vertreter wurde das offensichtlich stark abgeblockt unter Verweis auf naturschutzfachliche Belange. Ein vorsorgliches Freischneiden von Wanderwegen kommt nicht in Frage. Immerhin hat man erreicht, dass sich Herr Zimmermann mit den 10 wichtigsten Wegen des Stufenplans beschäftigen muss. An einigen Stellen ist auch der  Malerweg betroffen (Pohlshorn, Arnstein). Der soll prioritär behandelt werden, was verständlich ist. Es wurde u.a. vom Tourismusverband beantragt, dass mehr Informationen über Sperrungen und Umleitungen im Gelände bzw. an den Parkplätzen angebracht werden. Nun muss man sich schon festhalten: Dieser Antrag wurde von der NPV abgelehnt, weil angeblich nicht genügend Ressourcen zur Verfügung stehen. Jetzt müsste doch auch den letzten klar werden, warum der Zschand vorn gesperrt ist? Das erspart viel Arbeit. Und es wirkt: Denn auf dem Parkplatz standen Samstagnachmittag nur fünf Autos. Der Parkautomat ist übrigens nicht außer Betrieb: Spenden sind weiterhin erbeten.

Linkselbisch funktioniert das alles tadellos. Wenn irgendwo Forstarbeiten stattfinden, wie z.B. beim Rotstein, dann hängen laminierte Zettel da mit Hinweis auf eine Umleitung des Forststeigs. Kürzlich erst genau so gesehen. Und dabei sind die Leute dort noch dazu beschäftigt, aktiv Forstarbeiten durchzuführen. Man bekämpft dort mit Erfolg den Borkenkäfer und bastelt nebenher noch Schilder.

Zeughaus Heute Wetterbedingt geschlossen

Gut, ein Schild mit der Umleitung Zeughausstraße über den kleinen Zschand hängt ja. Da latscht nun der von Informationen befreite Tourist den ganzen unschönen Umweg da entlang, um festzustellen zu müssen, dass man da hinten fast nirgendwo mehr weiterkommt. Na vielleicht gibt es bei schönen Wetter vielleicht irgendwann als Entschädigung wieder ein Bier am Zeughaus oder man kann einen selfie mit dem sympathischen Super-Ranger aus dem TV schießen.

Plan B

Ich muss zugeben, meine Erwartungen waren sowieso nicht allzu hoch. Die Darstellung der Nationalparkverwaltung in den letzten Wochen war relativ starr und alternativlos. Mit dem Wechsel der Leiterstelle wurde ein Pragmatiker altersbedingt durch einen Theoretiker ersetzt, der als Außenstehender auch nicht in der Region verwurzelt ist. Da lassen sich viel einfacher solche Dinge durchsetzen wie 75% Ruhezone von heute auf morgen. Anscheinend will man auch keine großen Aufforstungsaktionen durchführen, denn dafür müsste ein Forstarbeiter ja zumindest mit dem Fahrzeug an Ort und Stelle kommen.

50 Prozent der Bäume im Nationalpark sind Fichten. Das heißt auch, es gibt 50 Prozent andere Baumarten, die im Wesentlichen gut dastehen. Gerade diese Mischwaldbereiche wurden aber bereits in der Vergangenheit unter strengsten Schutz gestellt – Kernzone. Von Bergsportverbänden und einer breiten Bevölkerung wurde das über die Jahre weitgehend akzeptiert. Solange es genug Alternativen gab. Viele damit längst verbotene Wege sind aber dennoch nicht verschwunden. Da es scheinbar die Absicht ist, das gesamte markierte Wegenetz über die nächsten Jahre brach liegen zu lassen, werden wohl Kletterer und Wanderer darauf ausweichen. Zum Glück haben wir diese Wege nicht vergessen!

Openstreetmap-Krieg

Es ist mittlerweile ein leidiges Thema. Im Nationalpark wurde vor einiger Zeit eine Stelle besetzt für digitale Besucherlenkung. Die Befürchtungen waren nicht ganz unbegründet. Ich möchte der Person, die sich selbst bereits in Medienberichten geoutet hat keinesfalls zu nahe treten. Aber nach Beginn der Stelle hagelte es über Youtube und an private Webseitenbetreiber „Warnungen“, wenn Inhalte über Wege in der Kernzone Thema waren. Selbst legale Berichterstattungen, die der Verwaltung schlicht und einfach nicht ganz genehm sind (z.B. Videos zur Begehung Fluchtwandstiege) wurden angeprangert. Rechtliche Konsequenzen hatten diese Belehrungen keine. Nun wenn man sich aber rückblickend nochmal die Stellenausschreibung durchliest, dann sprengt das doch ganz klar den demokratischen Rechtsraum eines Staatsbetriebes. Man könnte es gleich Zensurstelle nennen. Anstatt bestrebt zu sein, Informationen zu Wegesperrungen oder unpassierbaren Wegen inklusive Umleitungen vor Ort oder auf der Website vernünftig in Form zu bringen, ärgert man einfach mal irgendwelche Leute. Allerneuestes Beispiel: Mein letzter Beitrag zur Erreichbarkeit des Wintersteins. Ich bin um den Winterstein herum komplett alle Wege abgelaufen und habe in einhelliger Meinung mit Vertretern des SBB diesen unmarkierten Forstweg als Umleitung vorgeschlagen. Kürzlich wurde dort sogar gesägt. Wenige Tage später wurde er auf Openstreetmap von der Nationalparkverwaltung aber als Barriere getaggt. Als Resultat ist der Weg komplett raus. Schade um den Winterstein.

Bereits mit überschaubaren Aufwand könnte ein Zugang erhalten werden. Stattdessen ist man wohl erstmal bestrebt das zu verhindern. Es gibt auch einen Rückeweg über eine völlig freie Fläche parallel zu den Buchschlüchten. Wenn man die herrichtet, käme man gefahrlos an den Winterstein heran. Aber das ist scheinbar alles nicht erwünscht.

Lassen wir den Zschand einfach in Ruhe und gehen woanders hin. Zschand-Ente, Zschand-Storch, stengelumfassende Zschand-Fichte und das Zschand-Kraut werden es uns gewiss danken.

PS: Tut mir Leid für so viel Galgenhumor, aber wenn man gleichzeitig in der SZ liest das in Hinterhermsdorf die Fichten bald mit dem Hubschrauber ausgeflogen werden…

7 Kommentare

  1. Peter Zimmermann

    Danke Markus, ein schöner Bericht.
    Kleine Anmerkung zum Zschand, viele Fremde sind am Parkplatz Neumannmühle erst mal stark verunsichert, lassen sich aber auch ermuntern, am Sperrschild vorbeizugehen. Übrigens stand am Sonntag ein Trecker an der Richterschlüchte und es waren da im hinteren Zschand doch einige Bäume frisch umgesägt und wenn man den vordersten Teil der Richterschlüchte durchkrochen hat, geht es ja ganz passabel, obwohl im mittleren Teil vor der Goldsteinpromenade noch viele Faulkandidaten stehen.
    Und ich kann nur empfehlen, ein erweitertes Wanderset in Form einer taschentauglichen Zugsäge hilft schon viel und wir sind ja nicht wenige. Es sollen ja auch keine Wanderautobahnen werden.

  2. Ich habe es nicht glauben wollen, aber Du hast Recht. Das stand 16.04.2021 19:08 Uhr in der SZ-online…:
    https://www.saechsische.de/sachsen/saechsische-schweiz/nationalpark-plant-hubschraubereinsatz-obere-schleuse-hinterhermsdorf-sebnitz-saechsische-schweiz-5423059-plus.html Leider mit Bezahlschranke. Hat wer den kompletten Beitrag?

    Und das mitten in der Kernzone, wo es heißt „Natur Natur sein lassen!“, also was umfällt bleibt für die Natur da liegen…

    Bei solchen Ideen da schütteln selbst eingefleischte, langjährig aktive Naturschützer des Nationalparks mit dem Kopf!
    Wenn die Geschichte stimmt, ist es für mich absolut unfassbar! Oder soll da gar aus der Luft gesägt werden???

    Ausfliegen – ich denke, man kann nicht in die Gebiete, weil die faulenden Bäume bei der geringsten Vibration von Motorsägen zusammenfallen??

    Es gibt ein grundsätzliches Tiefflugverbot. Das dient auch zum Schutz von Brut- und Ruheplätzen.

    Was man mit dem Geld alles anfangen könnte…

    • Der Fichten-Hubschrauber soll erst im August zum Einsatz kommen, wenn die Brutzeit vorbei ist. Warum solche Aktionen ausgerechnet im sensibelsten Bereich des gesamten Kirnitzschflusslaufs möglich sind, und zufällig auch noch die Landesgrenze entlangläuft, und im restlichen Teil des Nationalparks NICHTS möglich sein soll. Das müssen andere erklären. Andererseits können wir froh sein, denn wenn die Kahnfahrt erst einmal 1-2 Jahre ausfallen würde, wer weiß was dann wird..

    • Peter Zimmermann

      Hallo Peter, ich schicke diese Woche die beiden Artikel an Markus, allerdings nichtöffentlich, wegen der Urheberrechte SZ

  3. Zwillingsstiege

    Wege um den Winterstein – OSM

    Hier sind noch alle da (Stand 23.04.2021)
    http://hikebikemap.org/?zoom=17&lat=50.911191&lon=14.28209&layers=B0000TFFFF&layer=HikeBikeMap

    Ich schaue mir das demnächst mal an.

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