Vergangenen Sonntag habe ich mir einen Weg im Großen Zschand angesehen, welcher erst kürzlich im Auftrag der Nationalparkverwaltung wiederbegehbar gemacht wurde. Man kann fast schon von einer „Wiedereröffnung“ sprechen. Die Meldung wäre beinahe in den Ereignissen um den großen Waldbrand untergegangen. Der Reitsteig schlängelt sich ca. 4 Kilometer am Fuße der Thorwalder Wände entlang. Seit Februar 2020 galt er offiziell als „unpassierbar“. Anfangs haben sich militante Wanderer noch mit der Handsäge durchgekämpft, spätestens seit 2021 war aber zwischen Thorwalder Turm und Löfflerschlüchte überhaupt kein Durchkommen mehr. Da in der Folgezeit auch viele andere Wege unpassierbar wurden, hätte man den Reitsteig in der Prioritätenliste weit unten angesiedelt vermutet. Dass er jetzt im Juni manuell mit Kettensäge freigeschnitten wurde, kam für viele überraschend. Nicht ganz ungefährlich, was die angeheuerten Forstarbeiter da geleistet haben. Ihnen gebührt Dank! Vielleicht hatte man in der Nationalparkverwaltung auch Bedenken, dass der Thorwalder Gratweg aufgrund dieser Situation zu stark begangen wird?
Der Hochhübelweg wurde bereits schon etwas früher mithilfe des „Kaisers“ Schreitbagger freigesägt. Hier schießt mächtig Jungwuchs nach oben. Vielleicht spielt der bessere (basische) Nährboden in Nähe zum vulkanischen Hochhübel eine Rolle? Am Eingang zum Reitsteig liegt das alte Schild auf dem Boden. „Unpassierbar“ gehört der Vergangenheit an. Gleiches gilt für die Erklärtafel – vermutlich vom Borkenkäfer mangels Nahrung aufgefressen?
Reitsteig frei – aber viel Brennholz
Das positive vorweg: Auf den ganzen 4 Kilometern lag nur ein einziger Baum quer, der seit Juni scheinbar neu hineingefallen ist. Ein großer Teil der Bäume ist bereits umgefallen. Das letzte Drittel Richtung Hickelhöhle war schon immer ganz gut begehbar, da in diesem Bereich auf Reitsteig-Niveau mehrheitlich Laubbäume wachsen. Man kann also davon ausgehen, dass uns dieser schöne Wanderweg fortan erhalten bleibt, wenngleich hin und wieder nochmal ein Baum darüber fällt.
Die Mengen an Brennholz, welche in sämtlichen Schlüchten liegen sind allerdings schockierend. Letztmalig habe ich den Weg 2019 komplett begangen. Da stand noch ein beträchtlicher Teil der abgestorbenen Fichten samt Rinde am Weg. Drei Jahre liegen diese nun wild übereinander und rindenlos in den Hängen. Man kennt das ja im Nationalpark. Aber hier erreicht die schiere Menge seinen Höhepunkt. Nach den Ereignissen Ende Juli und dem Hintergrundwissen um Feuchtegehalt dieses Holzes sieht man es mit anderen Augen. Wir wussten um die Brandlast. Aber eine Vorstellung hat jetzt eben doch erst die Realität geliefert. Der Große Zschand(bach) hat ein Einzugsgebiet von ca. 10 km2. Es entspricht von Neumannmühle bis Grenze etwa der abgebrannten Fläche in der Böhmischen Schweiz. Bei einem Großbrand kann hier in 48 Stunden alles hinüber sein. Einschließlich der wertvollen Riffvegetation auf den Thorwalder Wänden. Keine einzige der Schlüchte zwischen Hochhübelweg vorn und Hickelschlüchte hinten ist aktuell begehbar. Alleine schon aus Brandschutzgründen sollten mindestens zwei Schlüchte in der Mitte freigemacht werden. Und diese Unmengen von Brennholz müssen dringendst heraus aus dem Wald! Im Vergleich zum Gabrielensteig steht und liegt hier schätzungsweise das Doppelte oder Dreifache an Brennmaterial. Ich plädiere für Löfflerschlüchte (akt. Kletterzugang) und Brücknerschlüchte (akt. Status gesperrt).
Hickelhöhle und Abstecher Langes Horn
Unbeirrt davon passt sich das Wetter meiner Sonntagswanderung an. Im ersten Teil noch neblig trüb, kämpfte sich im hinteren Teil des Reitsteiges wider Erwarten die Sonne durch. Die Hickelhöhle ist für mich immer ein besonderer Ort. Abgelegen. Still. Mit den interessanten Felsmurmeln ringsum magisch. Ich stieg dann in den imposanten Hickelschlüchten eine Etage weiter nach oben, um das Lange Horn zu erkunden. Schmale Pfade führen bis zu den Hickeltürmen. Plötzlich taucht am Horizont ein Berg auf, mit dem man eigentlich nicht rechnet. Der Rosenberg grüßt aus Böhmen. Die Landesgrenze ist nicht mehr weit. Ein paar Meter weiter oben befand sich früher in der goldenen Erschließungszeit des Elbsandsteingebirges nicht ohne Grund ein gerühmter Aussichtspunkt auf dem Langen Horn als krönender Abschluss des legendären Gratwegs über die Thorwalder Wände. Meinholds Führer von 1910 weiß zu berichten: „[…] endlich bei Stein 190 rechts über zwei kleine Brücken (Vorsicht!) zur Bank auf dem Langen Horn (451 m) und den abwechslungsreichen Fußweg (Brückchen und zahlreiche Stufen über den Grat hin) bis zur Spitze über dem Großen Zschand (1/4 St.). Am schroffen Felshange findet man Ledum palustre. Echo.“ Dann beschreibt der Autor noch die Aussicht vom Rosenberg bis nach Sebnitz…
Auch von dieser Stelle erkennt man die Spuren des Großen Waldbrandes. Am linksseitigen Hang des Raingrundes stehen verkohlte Bäume. Das Feuer griff auch auf die Partschenhörner über. Später dazu mehr. Nach ausgiebiger Rast in der wärmenden Nachmittagssonne am Fuße des Zeichengrundturms ging es zurück zu den Hickelschlüchten und abwärts in den Zschand. Im Gegensatz zu den kleineren Schlüchten, die sich an die Thorwalder Wände hinziehen stehen an diesen Weg – vermutlich bedingt durch die windgeschützte Lage – nahezu alle befallenen Käferfichten im mittleren und oberen Teil. Noch. Unten angekommen bietet sich dann wieder das mittlerweile gewohnte Bild von kreuz- und querliegenden Baumstämmen. Unten im Großen Zschand angekommen sind die Spuren des Löscheinsatzes unübersehbar.
Hinterer Großer Zschand und Raingrund
Es gab im Buschfunk Gerüchte, dass der Weg durch den Großen Zschand bis Landesgrenze für den Feuerwehreinsatz aufgeschottert sei. Die Realität zeigt das nicht. Der Weg wurde „nur“ freigeschnitten und mit einem Forstfahrzeug befahren (vermutlich Harvester), der vor allem direkt am Grenzbereich unmittelbar in Nähe der Brandstelle vorsorglich ein paar Fichten gefällt hat. Da es hier unten fast immer feucht ist, hat der Weg auch deutliche Spuren davongetragen. Teils einen halben Meter tiefe Riemen. Die Feuerwehr wäre spätestens nach dem Einsatz des schweren Forstgerätes hier nicht mehr durchgekommen. Man musste sich also für die letzten 700 Meter mit einer Schlauchleitung begnügen. Ein paar Meter den Raingrund aufwärts sieht man schon die ersten Brandstellen. Auf deutscher Seite war dort nur ein kleiner Bereich betroffen. Der permanente Nordwestwind hielt die Flammen vorwiegend jenseits der Grenze. Mir fehlte zu fortgeschrittener Stunde dann die Zeit, das Gebiet weiter zu erkunden. So trat ich – begleitet vom Röhren eines Hirsches – den Rückweg an. Während der gesamten Wanderung sind mir ab Zeughaus 6 Leute begegnet.
Auch zu Zeiten als der Große Zschand noch nicht vom Borkenkäfer heimgesucht wurde hielt sich das Besucheraufkommen hier hinten in Grenzen. Lasst mich mal spinnen: Selbst wenn der Grenzübergang geöffnet würde und unsere Nachbarn von Rainwiese offiziell in den Zschand gelangen dürften, dann wird hier hinten kein extremer Massentourismus entstehen. Es fehlen einfach für Otto-Oty-Normalwanderer die Highlights wie spektakuläre Aussichten. Aber klar – wahrscheinlich würden mir nicht nur vier Leute begegnen und der Rothirsch würde vielleicht seinen Brunftruf nicht mehr dort abhalten. Hab ich da einen Schuss gehört? Gejagt wird ja auch in der Kernzone… das ist also keine Ausrede.
PS: Die vielen Brennholzbilder mögen vielleicht schockieren, aber es dient der Dokumentation. Auch diese „Impressionen“ müssen gezeigt werden, denn es gibt immernoch genug Leute, die ein völlig anderes Bild im Kopf haben, weil sie vielleicht nur aller paar Jahre in diesen Gefilden unterwegs sind und dann trotzdem „Mitreden“ wollen. Unabhängig davon gibt es auch jetzt noch unverändert schöne Waldpartien – man findet sie nur seltener. Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass hier Brände entstehen die kein Mensch mehr kontrollieren kann und die gesamte Riffvegetation der Thorwalder Wände mit einen Fingerschnippen in Rauch aufgeht. Der Raingrund ist übrigens 5 Kilometer von Hrensko entfernt.