Die Nationalparkverwaltung lud gemeinsam mit dem Landratsamt zu einer Diskussionsveranstaltung am 06.09. ins SoliVital Sebnitz ein. Zusammen mit geschätzten 80 weiteren Personen bin ich der Einladung gefolgt, denn der Diskussionsbedarf ist unverändert groß. Spätestens seit dem großen Waldbrand im vergangenen Jahr wuchs die Kritik am Nationalpark und damit auch an der eingesetzten Verwaltung aus dem Hause Sachsenforst. Die Kommunikation nach außen war unter dem letzten Leiter Herrn Zimmermann nicht gerade glücklich. Es gründete sich eine Bürgerinitiative, welche offen und mit gut begründeten Argumenten die Abschaffung des strengen Schutzstatus fordert. Auch aus dem Landratsamt und von den Kommunen wuchs die Kritik.
Nun versucht man scheinbar etwas aufzuholen, was man in den vergangenen Jahren versäumt hat. Vor allem das behäbige agieren in der Anfangsphase des Waldsterbens, als zahlreiche wichtige Wege als unpassierbar deklariert wurden, hat die Konfrontationen befeuert.
Das Bürgerforum ist nun ein Angebot, mit Kritikern, aber auch allen anderen interessierten Menschen aus der Region, die eng mit der Sächsischen Schweiz verbunden sind, ins Gespräch zu kommen. Uwe Borrmeister ist offiziell seit gut 4 Monaten Nationalparkchef und steht zweifelsohne für mehr Dialogbereitschaft als sein Vorgänger. Er kennt sich zudem als ortsansässiger, langjähriger Leiter des Forstbezirks Neustadt hervorragend aus. Man merkt schon in seiner kurzen Amtszeit, dass stärker und offener nach außen kommuniziert wird.
Die Veranstaltung im Sport- und Freizeitzentrum Sebnitz war sehr gut organisiert. Nach kurzer Einführung waren vier Thementische zur Auswahl, wo jeweils ein separater Moderator durch die Runde führt und ein Experte vornweg inhaltlichen Input zur Diskussion stellte. Es wurden diese vier Themen vorgegeben:
- Waldbrandschutzmaßnahmen
- Tourismusentwicklung in der Nationalparkregion
- Wege im Nationalpark
- Waldentwicklung im Nationalpark und im Landschaftsschutzgebiet
Prinzipiell hätte mich jeder dieser Themen interessiert. Letztlich habe ich mich für die Themen Wege und Waldentwicklung entschieden.
Wege im Nationalpark – Freischneiden ist voll im Gange und am Wegekonzept wird nicht gerüttelt
Andreas Knaak sprach kurz die Entwicklung an, wie seit 2018 aufgrund der Borkenkäferkalamität viele Wege gleichzeitig unpassierbar wurden und gab auch zu, dass verschiedene Aussagen aus dem Hause der NPV nicht immer glücklich waren.
Sämtliche Rettungswege und viele weitere Hauptwanderwege wurden komplett freigestellt, also auf Baumlänge umgesägt. Neuerdings wird das Totholz entlang der Wege in Abhängigkeit der jeweiligen Fachfirma auch geschreddert (Waldbrandprävention). Kleinere Wege werden von den eigenen Forstarbeitern händisch freigesägt, während größere Freistellungen mit Forsttechnik vorher aufwändig bei der Landesdirektion beantragt und naturschutzfachlich geprüft werden müssen. Derzeit laufen arbeiten an wichtigen Wanderwegen im Gebiet der Affensteine und im Polenztal. In nächster Zeit sollen auch unmarkierte Wege außerhalb der Kernzone und Kletterzugänge freigeschnitten werden. Einzelne kleinere Aktionen gab es schon in Abstimmung mit dem SBB. Der letzte unpassierbare Bergpfad Westelschlüchte/ Aufgang Bärenfangwände soll ebenfalls irgendwann dran sein. Insgesamt wurden ordentlich Meter gemacht – das kann und sollte man nicht in Abrede stellen. Herr Knaak wies darauf hin, dass die Nationalparkverwaltung auf einigen kommunalen Wegen im Nationalpark, welche aktuell gesperrt sind, keine Handhabe besteht (z.B. Dorfbachgrund, Uttewalder Grund). Angesprochen wurde der Umgang und Einfluss der NPV auf Kartendienste wie OSM, wobei diese Thematik nicht innerhalb drei Minuten ausdiskutiert ist. Denn ein Blick auf die aktuelle Version von Openstreetmap zeigt, dass so einige Wege in der Kernzone nicht angezeigt werden. Im Hintergrund liefen regelrechte Editwars einschließlich Sperrung von Usern, was an längst vergangene Zeiten erinnert. Andreas Knaak stellte nochmals klar, dass Kletterzugänge für alle Personen begehbar sind und kein Unterschied gemacht wird. Dennoch soll eine zu starke Frequentierung vermieden werden. Offen bleibt die Frage, ob das Wegenetz, wie es vor 20-30 Jahren einmal festgelegt wurde, noch zeitgemäß ist. Speziell die Wegekategorie „Schwarzer Pfeil“ schließt einige wunderschöne Wege ein, die seit Ewigkeiten von Wanderern genutzt werden oder sogar ursprünglich als Wanderweg angelegt wurden. Andere Kletterzugänge sind hingegen sehr ausgesetzt und gefährlich, und so kommt es immer wieder zu kritischen Situationen, in denen dann die Bergwacht helfen muss. Fakt ist: Solange der strenge Schutzstatus gilt, wird sich daran aber nichts Gravierendes ändern, weder in die eine noch in die andere Richtung. Diese Zusicherung ist wichtig und wird immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt. Ich persönlich halte es manchmal für etwas übertrieben, immer wieder in die gleiche Kerbe zu schlagen, wenn man den Wegezustand nur einmal mit dem NP Böhmische Schweiz vergleicht. Dass es gerade in den Jahren unter Zimmermanns Leitung auch den hohen Druck von außen brauchte, bis hin zum Besuch des Ministerpräsidenten wurde nicht verschwiegen. Angesprochen wurde das Thema von sieben neuen Grenzübergängen im Bereich der hinteren Sächsischen Schweiz. Hier gibt es noch nichts Neues zu vermelden.
Leider wurde immer wieder eine Grundsatzdiskussion über die Rechtmäßigkeit des Nationalparks angestoßen und Forderungen von Grünen Verbänden, BUND in die Diskussion hereingetragen und damit eine Plattform gegeben, welche sie gar nicht verdient haben. Aber das nur am Rande. Der Nationalparkstatus war an diesen Abend eigentlich nicht Diskussionsthema, was bei einer Veranstaltung der Nationalparkverwaltung durchaus nachvollziehbar ist.
Waldentwicklung in der Nationalparkregion und Umstrukturierung Forstbezirk Neustadt/ Nationalparkverwaltung
Am zweiten „runden Tisch“ referierte Herr Borrmeister über die Artenzusammensetzung und Altersstruktur der Bäume, wie sie sich in den letzten Jahren drastisch aufgrund der Käferkalamität entwickelt hat. In der Diskussionsrunde ging es dann wieder Querbeet von Status Nationalpark über Fragen nach der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Mir persönlich war das Thema wichtig, welches vor einiger Zeit von Arndt Noack öffentlich gemacht wurde und vorher nur im Buschfunk die Runde machte: Die Nationalparkverwaltung und der Forstbezirk Neustadt sollen künftig zusammengelegt werden. Uwe Borrmeister übt seit Mai eine Doppelfunktion aus und ist maßgeblich an der Durchführung dieser organisatorischen Änderung im Hause Sachsenforst beteiligt. Auf diese interessante Neuerung wurde auch am Ende der Veranstaltung vor versammelten Publikum noch einmal eingegangen. Es wurde also erstmals von offizieller Seite die Neuerung eines „Forstbezirks Elbsandstein“ öffentlich gemacht. So sollen Personalressourcen gebündelt werden und unkompliziert bspw. Forstarbeiter dort arbeiten, wo sie gerade benötigt werden – egal ob Nationalpark oder LSG. Oder Ranger auch im LSG eingesetzt werden. Meine Frage war, inwiefern die Trennung Landschaftsschutzgebiet und Nationalpark in Bezug auf die völlig unterschiedlichen Schutzstati und gegensätzlichen Bewirtschaftungskonzepte unter einem Dach funktionieren kann. Denn bis dato wird linkselbisch noch aktiv gegen die Ausbreitung des Borkenkäfers „gekämpft“, was sich im Bereich der Tafelberge an einen deutlich grüneren Waldbild erkennen lässt, während im Nationalpark weitgehend abgestorbener Wald und Totholzmikado das Bild trübt. Herr Borrmeister erklärte, dass diese Organisationsänderung keine Auswirkungen auf die unterschiedlichen Schutzgebietsformen haben wird und auch die lokalen Strukturen der Forstbetriebe (Markersbach, Cunnersdorf usw.) erhalten bleiben. Seine Aussagen klingen schlüssig, aber ich kann nicht verhehlen, dass bei mir unverändert ein komisches Bauchgefühl bei dieser „Bündelung der Ressourcen“ zurückbleibt. Macht es doch den Weg frei für strengere Regelungen oder mehr Kontrollen im LSG. Vielleicht vereinfacht diese neue Struktur auch die Möglichkeiten, mehr Wirtschaftswald aus der Nutzung zu nehmen um Flächenziele schneller zu erreichen, welche von ganz oben diktiert werden. Wie sich das genau entwickelt, kann nur die Zukunft zeigen. Details und genaue Struktur dieser Organisationseinheit befinden sich derzeit noch in Abstimmung.
Es war insgesamt eine gelungene Veranstaltung und an den Thementischen gab es die Möglichkeit, sich in kleinerer Runde auszutauschen. Bahnbrechende neue Erkenntnisse waren nicht zu erwarten und können auch nicht vermeldet werden. Der Landrat fiel abschließend etwas mit einer überspitzten Aussage aus dem Rahmen, wenn zeitnah keine Lösung für den Großen Winterberg in Sicht ist, muss man die Gebäude eben zusammenschieben und platt machen. Der Amselfall war auch in aller Munde, eine Lösung scheinbar noch nicht in Sicht.
Das Publikum bestand übrigens aus Personen, welchen man sonst auch bei vergangenen Veranstaltungen begegnet ist. Vertreter der Bergsportverbände, Stiegenfreunde, Bürgerinitative Hohnstein, Unternehmer, Guides und generell Leute, die sich mit der Region stark verbunden fühlen. Fast schon Fachpublikum. Das Format soll in ähnlicher Weise an anderen Ort fortgesetzt werden. Bad Schandau und Hohnstein waren im Gespräch.
Wer bei den beiden anderen Thementischen dabei war, oder noch etwas hinzuzufügen hat, kann das gern in den Kommentaren tun. Es bleibt spannend.
Hallo in die Runde,
ich habe mir die Freiheit genommen, den Abend ebenfalls ausführlich zu beleuchten: https://nacktwanderfreunde.de/forum-nationalparkregion-teil-1/ .
Bleibt zu hoffen, dass man sich beim Thema Wege etwas flexibler zeigt, wobei in der Diskussion der Satz „Die Wege bleiben“ etwas zu schwammig formuliert war. Hier fehlte eindeutig der Bezug zum Zeitpunkt: Reden wir von Wegen, die im aktuellsten Kartenmaterial zu finden sind oder auch 5 Jahre in der Vergangenheit liegende Wege ? Gern bringe ich beim nächsten Mal das Kartenmaterial mit, um so in der Gruppe dieses Anliegen zu diskutieren.
Die Versorgung im SoliVital hingegen war sehr gut, bleibt auch hier zu hoffen, dass die Kommunikationsbereitschaft ähnlich gut bleibt, wie die Verpflegung ;-).
Viele Grüße,
Martin
Hallo Martin, vielen Dank für deinen ausführlichen inhaltsreichen Beitrag auf deiner website. Du hast dir noch weitaus mehr Punkte notiert und gerade die Diskussion am „Brandschutztisch“ scheint ja sehr kontrovers, aber auch konstruktiv gewesen zu sein.
Vielleicht hätte mich das Thema aber auch zu sehr aufgewühlt.. 😉 Die Forderung nach immer wieder „mehr Kontrollen“ kann ich nicht nachvollziehen. Verglichen mit der geringen Gebietsgröße ist die Ausstattung an Ranger und Verwaltung opulent. Und auch beim Thema „Feuer im Wald“ ist die Herangehensweise mit Totalverboten vielleicht nicht das schlauste, wenn gleichzeitig Mythen in die Welt gesetzt werden a la „Totholz brennt nicht“.
Und es ist auch nicht gleich jeder Raucher ein Brandstifter, manche nehmen wirklich ihre Kippe wieder mit nach Hause… Leuten mit Gaskochern OWIs zu verteilen halte ich auch für kompletten Unfug. Denn im Normalfall wollen diese Leute nur ihr Essen warm machen und haben nix mit wilden Zündlern gemein. Der Kocher hat einen An-Aus-Knopf, das Lagerfeuer glimmt u.U. noch viele Stunden unbeobachtet irgendwo in der „Wildnis“… also hier schießt man die falschen Leute ab. Ich gebe dir aber insofern völlig Recht, eine Unterteilung in Einheimisch (die „Vernünftigen“) und Auswärtig („Touris“) ist Käse, da kenn ich selbst auch zu viele Chaoten vom Umland, am schlimmsten zu Himmelfahrt.
Danke für Deine Zusammenfassung, die neugierig auf den entsprechenden Bericht auf der NP-Seite machte. Dort geht es natürlich etwas unverbindlich-positiver zu, wenngleich auch dort von einem neuen (Dialog-) Anfang geschrieben wird.
Wie war denn überhaupt die Reaktion auf die Frage nach Grenzübergängen in der Hinteren Sächsischen Schweiz?
»… der Umgang und Einfluss der NPV auf Kartendienste wie OSM, wobei diese Thematik nicht innerhalb drei Minuten ausdiskutiert ist. Denn ein Blick auf die aktuelle Version von Openstreetmap zeigt, dass so einige Wege in der Kernzone nicht angezeigt werden.«
Staatliche Stelle nötigen einen freien/offenen Dienst zur Manipulation der Daten nach eigenen Vorstellungen – sehr befremdlich!
Dazu noch eins: Herr Knaak hat ganz klar gesagt, dass es rechtlich keine Handhabe gibt, was Einfluss auf Kartenanbieter betrifft (egal ob analog oder digital). Es handelt sich um eine freiwillige Zusammenarbeit.
Ich habe die Diskussionen im Openstreetmap-Forum verfolgt und dort herrscht anscheinend unter den Usern (die etwas zu melden haben) eine mehrheitlich grüne Meinung, das Wegegebot in Schutzzonen entsprechend ins Kartenmaterial zu übertragen. Freiwillige Zensur trifft es vielleicht.
Meine Meinung ist, wenn man alle Regeln beachtet anstatt On-the-ground, dann kann man früher oder später die Karte in die Tonne kloppen (militär. Sperrgebiet, Privatgrund etc.). Das ist in dem konkreten Falle aber ein Problem des Openstreetmap-Projekts. Ich bin kein Mapper, und kann zur Not auch Alternativen verwenden. Diesen vorauseilenden Gehorsam haben wir in den letzten Jahren ja leidvoll zu Genüge erlebt.
»Freiwillige Zensur […] vorauseilenden Gehorsam«
Das wirft ein anderes und keinesfalls besseres Licht auf die Sache. OSM bietet im Übrigen Mittel, Wege für allerlei Benutzergruppen als gesperrt zu kennzeichnen. Das führt dann in Routenplanern dazu, daß jene Wege in keinem Routenvorschlag auftauchen, hatte das bei der Planung von MTB-Touren in den Alpen mit Outdooractive beobachtet: Weg ist da, wird aber in der Planung nicht benutzt. Ob man den Weg dann in der Natur befährt oder begeht muß jeder mit sich selbst ausmachen.